Zur Zulässigkeit von abfotografierten Produktverpackungen

AG Kassel, Urteil vom 22.05.2015 – 441 C 11/15

Der Kläger hatte Lichtbilder für Produktverpackungen gefertigt. Der Beklagte hatte das entsprechende Produkt mit der Originalverpackung erworben und anschließend auf einer Internetauktionsseite eingestellt. Dabei verwendete der Beklagte ein selbst angefertigtes Foto von der Verpackung, auf der das Lichtbild des Klägers deutlich zu erkennen war.

Entscheidung des Gerichts

Das AG war der Ansicht, dass die Verwendung des eigens angefertigten Fotos mit der Verpackung, auf der das Bild des Klägers sichtbar war, ein unzulässiges öffentliches Zugänglichmachen darstelle. Die Bilder des Beklagten stellen weder eine freie Bearbeitung dar, noch seien sie vom Zitatrecht gedeckt. Auch die Grundsätze, die der BGH zu „Parfümflakons“ (BGH, Urteil vom 04.05.2000 – I ZR 256/97) aufgestellt hatte, seien nicht anwendbar, sofern es möglich sei, die Produkte auch ohne Verpackung darzustellen.

Der Beklagte wurde daraufhin zur Unterlassung und zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung ist mit größter Vorsicht „zu genießen“. Das AG Kassel hält die Grundsätze aus der BGH-Entscheidung „Parfümflakon“ nur dann für anwendbar, sofern die Darstellung eines Gegenstands nebst Verpackung zum weiteren Vertrieb objektiv notwendig ist.

Regelmäßig ist es Verkäufern jedoch nicht zumutbar, eine Produktverpackung zu öffnen, da geöffnete oder entsiegelte Verpackungen vom Verkehr meist nicht mehr akzeptiert werden. Ein Verkauf von Neuware ist dann oftmals kaum noch möglich. Gleiches gilt für ein freiwillig eingeräumtes Umtauschrecht, das viele Händler gewähren, wenn eine Versiegelung entfernt oder die Verpackung beschädigt wurde.

Die Entscheidung des AG Kassel widerspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH. So wurde in der „Parfümflakon“-Entscheidung deutlich gemacht, dass das Recht zum Weitervertrieb gemäß § 17 Abs. 2 UrhG auch Angebot und Werbung für die angebotene Ware umfasse, sofern diese sich im üblichen Rahmen bewege. Explizit bringt der BGH in dieser Entscheidung das Beispiel einer Buchhandlung für Werbung von Büchern in Prospekten oder Zeitungsanzeigen, in denen die Buchcover der beworbenen Bücher abgebildet sind. Zwar geht mit der Verbreitung eine urheberrechtliche Vervielfältigung einher, jedoch wird derjenige, der berechtigt ist, die Ware zu verbreiten, auch zur Nutzung der Vervielfältigung als berechtigt angesehen – sofern die Nutzung im Bereich der üblichen Absatzmaßnahmen verbleibt. Bei derartigen Abbildungen handelt es sich folglich nicht um zustimmungsbedürftige Nutzungen von Lichtbildern.

Auch der EuGH hat deutlich gemacht, dass der freie Warenverkehr von der Erschöpfung lebt. Somit können urheber- oder markenrechtliche Befugnisse nach dem ersten Inverkehrbringen der Ware nicht für eine Beschränkung des Vertriebs genutzt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 04.11.1997 – C-337/95).

Das AG Kassel würde mit seiner Entscheidung jedem Hersteller – entgegen höchstrichterlicher sowie EuGH-Rechtsprechung – die Möglichkeit einräumen, den Vertrieb von Produkten zu kontrollieren. Hierfür müsste nur ein urheberrechtlich geschütztes Werk (Foto) auf der Verpackung angebracht werden. Damit könnte jede Werbung für diese Produkte unterbunden werden. Ein Vertrieb mit Abbildungen von Produkten wäre nicht mehr möglich. Die Folge wäre eine Einschränkung der Verkehrsfähigkeit von Produkten.

Die Entscheidung widerspricht damit höchstrichterlich aufgestellten Grundsätzen.